Unser Kanzleigebäude

Das Wohnhaus wurde 1853 an der Straße, die unmittelbar vor den Wällen der Stadtbefestigung entlanglief, errichtet. Das vornehme Gebäude stellt ein seltenes Beispiel der Wohnhausarchitektur aus der Anfangszeit des sich emanzipierenden Bürgertums im 19. Jahrhundert dar.

Das Charakteristische der Architektur der Gartenstraße 43 liegt in den klaren Umrissen, den ungegliederten, schlicht verputzten Wandflächen des kubischen Baukörpers mit außerordentlich feinem Bauschmuck in der konsequenten Symmetrie.

Es gehört zu den Besonderheiten der Gartenstraße 43, dass sich hier Vermutungen auf die Art des Handelsgutes anstellen lassen. So finden sich am Haus deutlich Hinweise auf Wein, in den überall im Gitterdekor wiederkehrenden Motiven Weinlaub und Trauben.

Seine hervorragende Bedeutung besitzt das Gebäude Gartenstraße 43 vor allem auch in seiner innenarchitektonischen Ausgestaltung, die in Art und Qualität sowie in der Erhaltung außergewöhnlich ist.

Es stellt bereits eine Ausnahme dar, dass so gut wie alle Zimmertüren noch aus der Erbauungszeit stammen. In seltener Weise besitzen so gut wie alle Türen noch die originalen klassizistischen Messingtürklinken. In allen Räumen hat das Gebäude sowohl den originalen Deckenstuck als auch die Böden bewahrt, die in den Haupträumen als Tafelparkett verlegt sind.

Außerdem ist eine Wandgestaltung im sogenannten "pompejanischen Stil" aus der Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten. Die Ziereinfassung der Raumdecken zeigen jedes Mal andere, vorwiegend florale Ornamente.

Die Vollständigkeit des erhaltenen Deckenstucks und die Abstufungen im dekorativen Gesamtaufwand veranschaulichen in seltener Weise in einem Bürgerhaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts eine funktionale Rangabfolge der Räume. Durch die künstlerischen Unterschiede im Ausstattungscharakter wird besonders die gehobene, repräsentative Bedeutung der vorderen, zur Straße hin ausgerichteten Räume deutlich.

Einen überraschenden und seltenen Fund innenarchitektonischer Ausgestaltung eines Bürgerhauses aus der Mitte des 19. Jahrhunderts brachten restauratorische Freilegungsarbeiten 1988/89 ans Tageslicht. Es handelt sich um die vollständige dekorative Ausmalung der Loggia, die auf Grund der Qualität ihrer Ausgestaltung zu den schönsten und historisch interessantesten Räumen des Hauses gehört.

Das in mehrfacher Hinsicht bedeutende Gebäude repräsentiert in Qualität und Form umfassend und anschaulich bürgerliche Architektur des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts, belegt soziale und wirtschaftliche Verhältnisse des in den Jahrzehnten nach der französischen Revolution zu einem neuen gesellschaftlichen Stand aufgestiegenen Bürgertums und läßt darüberhinaus am Beispiel eines Bauherrn aus der gehobenen Schicht der Stadt Reutlingen den Rahmen erkennen, in dem Ansprüche an Kunst und Bildung verwirklicht werden.

Da aus der fraglichen Epoche des 19. Jahrhunderts, jedenfalls im Bereich Baden-Württembergs, keine vergleichbaren weiteren Stadthäuser dieser Art und dieses Erhaltungszustandes erhalten sind, handelt es sich darüber hinaus um ein außerordentlich seltenes architektur- und kulturgeschichtliches Belegbeispiel